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Made in China

José Pozo_Made in China_2008

José Pozo, geboren 1971 in Madrid/Spanien, studierte von 1992-1997 Malerei an der Universität der Bildenden Künste in Madrid und von 2002-2007 an der Akademie der Bildenden Künste Wien bei Amelie von Wulffen. Seit 1994 hat er an verschiedenen Einzel- und Gruppenausstellungen in Österreich, Spanien, Deutschland und Tschechien teilgenommen. Ab Ende Juli zeigt er seinen aktuellen Werkzyklus “Made in China” in der KRO ART Gallery.



Seine expressiv-gegenständliche Malerei wirkt einerseits oft plakativ und idealisierend, besticht aber bei genauerer Betrachtung durch kritische Ansätze, die aus der Kontradiktion zwischen Ideal und Kritik als zynisch – sarkastische Verweise im Raum als Frage stehen bleiben.



Eines seiner zentralen Arbeitsthemen ist die Welt der “workpeople” und deren Position innerhalb unserer Leistungs- und Konsumgesellschaften.

Verweise auf die Werbung als Mittel zur Reproduktion der Sehnsucht nach einem “besseren Leben” werden vor diesem Hintergrund zu einer globalisierungskritischen Thematisierung von westlich produzierten Idealbildern.

Gleichzeitig irritiert die recht einfache Malweise als werbeartige Gestaltungsebene, die den Betrachter auf die eigene plakative Sehnsucht nach dem Guten und Schönen zurückwirft und offen lässt, ob diese Malart ein gewollter Verweis oder nur die individuelle Gestaltungsfreiheit des Malers ist.



In José Pozos aktuellem Werkzyklus “Made in China” wird Werbung und Produktbranding durch die übliche Angabe des Herstellungslandes von Produkten direkt auf das Bild übertragen und so das Werk als Kunst-Produkt der Industrialisierung der Kunst durch den Kunstmarkt geoutet.



“Made in China” steht hierbei auch als Synonym für die Produktion von Luxusgütern in Billiglohnländern. Dabei kann die “Marke” als Name und Idee teilweise beliebig ausgetauscht oder kopiert werden. Das Imitieren wird zur Strategie und reproduziert den Stellenwert der Marken, gleichzeitig wird aber das Werk als qualitativ hochwertiges Produkt und Original durch die Imitation in Frage gestellt. Wie andere Waren unterliegen auch Pozos Werke einem Produktionskreislauf und visualisieren gleichzeitig die Beziehung zwischen Arbeit, Produkt und Konsum als konkreter Gegenstand und als künstlerisch-inhaltliche Auseinandersetzung.



Ein wichtiger Ausgangspunkt in diesen Arbeiten bildet für Pozo das Sachbuch “Schwarzbuch der Markenfirmen” von Klaus Werner. Mit Werner traf sich Pozo im Zuge eines Projektes für die Linzer Kulturplattform “Die Kupf” mit dem Thema Macht und Demokratie.



Die Gespräche mit Werner und die künstlerische Auseinandersetzung mit Markenfirmen während des Projektes in Linz animierten ihn den Werkzyklus “Made in China” zu kreieren, um so seiner inhaltlichen Kritik an Konsum, Kapitalismus und Globalisierung in der Malerei Ausdruck zu verschaffen.

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Game of Luck.

 

Eine Dokumentation von José Pozo und urbanfarm.

Asylwerber, Flüchtlinge. Die Menschen, die hinter diesen Schlagwörtern stehen, werden kaum noch wahrgenommen, sondern verschwinden unter diesen.

Game of Luck. 

José Pozo

2016

Am 1. Februar 2015 traf ich die Menschen aus Syrien zum ersten Mal. Das Zusammentreffen fand in einem  Gebäude statt, in das ich sonst nicht so oft gehe – in der Kirche in Harter Plateau. Auch wenn ich selbst kein gläubiger Mensch bin, wurde ich von der Arbeit des Priesters dort überrascht: in den Räumlichkeiten dieser Pfarre sind Asylwerber willkommen, sie dürfen sich in Ruhe und freundlicher Umgebung aufhalten und können mit anderen Menschen im Pfarrcafé Kontakt aufnehmen. Die Kirchenräume beschützen auf ihre Art die Asylwerber vor den kritischen Blicken und Stimmen der Leondinger BewohnerInnen rund herum.

Seit den Vorfällen von Köln, seit dem Drama, das sich dort in der Silvesternacht zutrug, sind selbst hier in Leonding eine gewisse Spannung, oft Angst, auch Wut greifbar. Menschen, denen man ihre Herkunft aus einem anderen Land ansieht – und das betrifft auch mich selbst – werden jetzt oft anders angesehen. Selbst vor der Schule oder im Kindergarten merke ich, wenn ich in der Früh meine Kinder begleite, dass andere Eltern, die früher durchwegs einen Gruß murmelten, jetzt eher nichts mehr sagen. Kein Guten Morgen und kein Grüß Gott (dabei mag ich „Grüß Gott“ ja gar nicht, das fast gleichbedeutend ist mit dem spanischen „Adios“).

Die Asylwerber, die damals erst seit kurzer Zeit in Leonding lebten, waren in einem kleinen Haus der Caritas St. Isidor einquartiert. In dem Haus, das sie bewohnten, sollten die Asylwerber höchstens bis Ende März 2015, also noch knapp zwei Monate bleiben dürfen. Danach sollte das Haus für andere Zwecke umgebaut werden, so weit die Information.

Ich traf die Gruppe von jungen Männern aus Syrien zum zweiten Mal im Rahmen eines Ausflugs, den eine andere Kirche in Leonding veranstaltete, diesmal die evangelische Pfarre aus dem Stadtteil Doppl (der aus einer großen Siedlung von damals vertriebenen Sudetendeutschen, ehemaligen Flüchtlingen, also, besteht). Der Ausflug ging ins Salzkammergut nach Gmunden. Auch wenn es keine große Reise war, tat es den Menschen gut, einmal hinaus zu kommen und auch andere Gedanken und Ideen zuzulassen – abseits der Sorgen um die Familien, die meist noch in ihrer Heimat warteten. Ich durfte diesen Ausflug mit meiner Kamera begleiten, und dieser Tag wurde zum Beginn einer neuen Freundschaft.

Bald darauf schon besuchte ich die Asylwerber in ihrer Unterkunft bei der Caritas – noch nicht ahnend, wie viel Zeit ich ab da bis Ende März noch mit meiner Kamera bei ihnen verbringen würde: ich wurde zum Essen eingeladen, durfte Interviews mit den Männern machen und – vor allem – ich lernte diese Menschen ziemlich gut kennen.

Als die Asylwerber – in der Zwischenzeit hatten bereits die ersten beiden ihren positiven Asylbescheid bekommen – das Haus schließlich verlassen mussten, fühlte ich eine große Lücke. Quasi in letzter Minute hatte man, nach fast ewiger Suche, eine neue Unterkunft für die jungen Männer gefunden, allerdings war diese in einer ganz anderen Richtung, im Linzer Stadtteil St. Margareten.

Ich hatte einige Wochen lang das Gefühl, ich wäre schon ein Teil ihrer Gruppe. Wir haben viel miteinander gesprochen, und ich hatte so viel von diesen Männern und ihrer Geschichte erfahren.

Jetzt waren sie in dem neuen Haus einquartiert, viel weiter weg. Doch unser Kontakt hielt; mit vielen der Männern habe ich bis heute guten Kontakt. Sie gehen inzwischen ihren eigenen Weg, haben ihre positiven Aufenthaltsbescheide bekommen, Arbeit und Wohnung gesucht und sind teilweise bereits wieder mit ihren Familien vereint.

Was ich außerdem beobachtet habe, ist dass mit dem Haus in St. Isidor, das sie bis März in Leonding bewohnten, zunächst gar nichts passierte. Fast ein Jahr, nachdem es die Asylwerber so dringend verlassen mussten, stand es leer, erst dann begannen erste Renovierungsarbeiten. Bis heute ist es nicht fertig.

Die Familie Al-refaai habe ich später kennengelernt. Durch einen der Asylwerber aus Syrien kam ich in Kontakt mit dem Familienvater, Ahmad. Im Mai besuchte ich Achmad und seine Familie zu ersten mal, und damals war die Wohnung noch fast leer, bis auf ein paar Matratzen, Sesseln und einen Tisch. Ich lernte Ahmads Frau und seine sechs Kinder, die damals zwischen achtzehn und fünf Jahre alt waren, kennen. Das Wohnhaus der Al-refaais selbst ist ein tristes Haus. Es ist voll gepfercht mit migrantischen Familien. Das Stiegenhaus ist dunkel und desolat; Brandschutztüren trennen die einzelnen Teile der langen Gänge, und Hausmeister scheint es dort keinen zu geben. In diesem Haus direkt an der stark befahrenen Welser Straße, wo Leonding direkt in Linz übergeht, zu wohnen ist nicht angenehm, aber im Moment ist es für die Familie eine leistbare Möglichkeit. Die Stimmung der Hausbewohner dort befindet sich an der Grenze zwischen Spannung und Frustration, was sich auch bei den letzten politischen Wahlen im Herbst niederschlug: die FPÖ hat dort über 50% der Stimmen bekommen.

Nach meinem ersten Besuch bei den Al-refaais haben wir uns immer wieder getroffen und die Familienmitglieder außerdem in zwei zentrale Projekte unseres Kulturvereins urbanfarm eingebunden: im Gemeinschaftsgarten erhielten die Al-refaais ein Beet und auch in der  Nähwerkstatt, die einmal in der Woche stattfand, waren einige der Al-refaais regelmäßig dabei. Die Idee dahinter waren weniger das Gärtnern oder das Nähen an sich, sondern viel mehr ging es darum, Menschen sowohl aus Syrien als auch aus Österreich zusammen zu bringen und einander kennen zu lernen.

Mit den Projekten, die ich verfolge, möchte ich den Menschen in der Umgebung zeigen, dass die Flüchtlinge, die aus Syrien kommen, wie all die anderen Menschen sind. Ihre Heimat wird stetig zerstört, sie haben dort keine Chance mehr auf ein normales Leben, und nun wollen sie vor allem eines: sie möchten weiterleben.

Game of Luck. Eine Dokumentation von José Pozo und urbanfarm

https://dorftv.at/video/26846

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Über den Hochmut und andere menschliche Schwächen

José Pozo©

Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Thema der alltäglichen Zwischenmenschlichkeit und mit den Formen und Äußerungen, in denen jene auftritt. Es handelt sich um drei Bilder, die in jeweils unterschiedlichen Techniken gefertigt sind –Kohlezeichnung, Aquarell und nicht zuletzt Öl auf Leinwand – ihnen allen liegt das Motiv des Hochmuts zugrunde.

Hochmut entstammt den sieben Todsünden des Katholizismus und besitzt somit eine starke Symbolik. Wichtig dabei ist, daß sich das Verständnis der sieben Todsünden wesentlich gewandelt hat: vom Ausgang als Todsünde haben die Eigenschaften Hochmut, Neid, Habgier, Zorn, Trägheit, Völlerei und Wollust in der heutigen Gesellschaft eine andere Wertigkeit als jemals zuvor in ihrer Geschichte. Heute bezeichnen sie menschliche Eigenheiten, die durchaus von den Mitmenschen toleriert und anerkannt werden – und die manchmal sogar ganz bewußt eingesetzt werden, um gewisse Ziele zu erreichen.

Hochmut bedeutet, sich selbst über die anderen zu erheben, sich bewußt in eine höhere Position zu verschieben, als es der eigenen Realität entspricht. Dies hat stets vor Publikum zu geschehen, und zielt darauf ab, auf die Person aufmerksam zu machen und ihre Fähigkeiten bestmöglich zu präsentieren.

Die Bilder nun zeigen Szenen aus dem Boxkampf. Das Boxen symbolisiert hier das Leben schlechthin: den alltäglichen Kampf  und Wettstreit der Menschen untereinander, den Wettbewerb, besser zu sein als alle anderen. Und genau hier offenbart sich der Hochmut in deutlicher Form: jeder versucht, das Publikum für sich ein zu vernehmen, jeder ist ein Einzelkämpfer und bewart den Menschen rundherum gegenüber eine strikte Distanz. Wer sich nicht selbst präsentiert und bewirbt, der wird vom Publikum nicht wahrgenommen.

Nicht nur der alltägliche Wettkampf im Leben der Menschen wird hier durch die Boxer dargestellt. Es wird überdies hinaus noch ein ganz bestimmter Wettbewerb angesprochen: das Bestehen in Politik und Kultur.

Die Boxer werden zu denjenigen, die Politik machen,  besessen  vom Gedanken, alle Konkurrenten zu übertreffen, um sich einen guten Platz auf der  politischen Bühne zu schaffen.

Mit unterschiedlichsten Mitteln wird hier gearbeitet – mit Selbstdarstellung, mit Bewerbung, mit offenem aber auch mit verstecktem Kampf. Die einzelnen Wettstreiter setzen sich in Szene wie Produkte mit bestimmten Erkennungswerten und Markenzeichen. Momentan erscheint genau dieser Weg als der gängigste und sicherste – so sehr, daß man andere Routen und Möglichkeiten, Beachtung in der Medienwelt zu finden, außer Betracht läßt.